Lukas Huppenbauer ist nicht zum ersten Mal in der Klinik Südhang und weiss, worauf er sich hier verlassen kann. Im Interview erzählt er von seinem erneuten Klinikeintritt und seinen Erfahrungen während des stationären Aufenthalts bei uns.
«Ich habe mich erneut für die Klinik Südhang entschieden, weil ich hier eine gewisse Vertrautheit gefunden habe und das Engagement der hier arbeitenden Menschen spüre».
Herr Huppenbauer, ist Ihnen die erneute Anmeldung für einen Klinikaufenthalt schwergefallen?
Ich sah den erneuten Klinikeintritt vor allem als Anker und Chance. Der Südhang war für mich ein Ort, an den ich zurückkehren konnte, weil zuvor alle Stricke gerissen sind. Allerdings war ich zu Beginn meines Aufenthalts wenig zuversichtlich, jemals trocken leben zu können.
Und heute? Wie sieht das nach mehreren Wochen Klinikaufenthalt aus?
Mittlerweile bin ich skeptisch-zuversichtlich und ein Leben ohne Trinken scheint wieder möglich. Jeder trockene Tag hier, ist ein Erfahrungswert mehr. Ohne Konsum kommt aber auch alles hoch, was vorher unterdrückt wurde und das ist keine «Schoggi», sondern Anspruchsvolles und Belastendes.
Erhalten Sie bei dessen Bewältigung ausreichend Unterstützung von unseren Therapeuten?
Einiges davon wird in der Einzel- oder in der Gruppentherapie aufgegriffen. Da der Schwerpunkt der Klinik Südhang aber auf der Suchtbehandlung liegt, können nicht alle meine psychischen und somatischen Belastungen während meines Aufenthalts behandelt werden. Das ist ja auch völlig klar.
Hier stosse ich immerhin auf Verständnis und kompetentes Personal das weiss, wie es reagieren muss. Ich kann mich jederzeit an die Pflege oder meine Fallverantwortliche wenden und so bilden die Behandelnden hier doch eine Art Sicherheitsnetz, das mir hilft, das Hochkommende aufzufangen.
Wie sieht denn Ihr Therapieprogramm aus?
In den ersten vier Wochen des stationären Aufenthalts ist das Programm für alle etwa gleich und es wird einem das Basiswissen rund um die Suchterkrankung vermittelt. Danach wird es individueller und man kann das Programm auch selbst mitgestalten. Es gibt thematische Schwerpunkte, die je nach persönlicher Situation festgelegt werden und obligatorisch sind und es gibt Zusatzmodule, die frei wählbar sind.
Ich bin jemand, der genügend Freiräume braucht und meine Ressourcen und Kräfte etwas schonen muss. Ich will mein Programm nicht überladen, sondern genügend Freizeit haben, um selbst durch den Wald streifen oder ins Atelier gehen zu können. Daher habe ich neben den obligatorischen Modulen nur ein Zusatzmodul belegt, nämlich das Bogenschiessen. Es gäbe aber noch viele weitere kreative Möglichkeiten, wie das Klettern, das Schreiben oder die Theatergruppe.
Diesen Gestaltungsspielraum finde ich sehr gut und ich bin gespannt, wie sich dieser beim neuen Behandlungsprogramm entwickeln wird. Aber schon jetzt merkt man beim Personal die Bemühung, im Rahmen des Möglichen patientenzentriert, individuell und flexibel zu sein.
Welche Angebote gefallen Ihnen besonders gut?
Ich bin begeistert vom Bogenschiessen, das finde ich ein sensationelles Angebot! Anhand dieses einfachen Bewegungsablaufs kann ich ganz viel über mich selber erfahren, zum Beispiel wie ich mit Stress umgehe, mit Frustration oder mit Freude.
Ich mag auch die themenbezogenen Gruppentherapien. Momentan besuche ich gerade die Gruppe «Soziale und Emotionale Kompetenzen», die ich sehr spannend finde und aus der ich immer etwas mitnehmen kann. In diesen Gruppensitzungen ergänzen sich das Expertenwissen der Fachleute mit dem Expertenwissen der Betroffenen, was immer wieder sehr ergiebig ist. Dabei ist aktives Teilnehmen auf jeden Fall hilfreich – wenn schon, denn schon! In den regelmässigen Einzeltherapien werden dann all diese Inputs und Erkenntnisse zu einem roten Faden zusammengefügt.
Auch das Gestalten ist für mich super, sowohl im Rahmen der Kunsttherapie, als auch in der Freizeit. Das Atelier ist für uns Patient*innen fast immer zugänglich, darüber bin ich froh, da ich hier viel regulieren kann. «Das Atelier ist ein schöner Ort» steht am Anfang meines Klinik-Tagebuchs, es ist also ein Stück Sicherheit, Vertrautheit und Heimat für mich.
In gut einem Monat treten Sie aus der Klinik Südhang aus. Wie geht es Ihnen bei dieser Aussicht?
Auch hier bin ich skeptisch-zuversichtlich. Ich beschäftige mich schon lange mit mir selbst und habe doch auch bei diesem Aufenthalt wesentliche neue Perspektiven und Erkenntnisse gewonnen. Aber ich bin auch schon lange genug mit meiner Suchterkrankung unterwegs, so dass ich nicht euphorisch werde. Ich weiss, dass der Umgang mit der Abhängigkeit ein Langzeitprojekt ist und es weiterhin viele innere Kämpfe geben wird, die ausgefochten werden wollen.
Was stimmt Sie skeptisch?
Die erste grosse Hürde wird der Moment des Austritts sein, denn dieser gehört meiner Erfahrung nach zu den allerschwierigsten, auch bei der bestmöglichen Vorbetreuung und Nachsorge.
Was stimmt Sie zuversichtlich?
Ich habe ja bereits Erfahrung mit anhaltenden Krisen und versuche deshalb, immer handlungsfähig und in Bewegung zu bleiben. Ich habe meine Bedürfnisse noch besser kennen gelernt, bin recht selbstwirksam, habe die Nachsorge gut organisiert, finde Ressourcen in mir und eine Aufgabe vor mir. Und: Zu der Krisenerfahrung zählt auch, dass ich unterdessen fast rechtzeitig erkenne, wann Hilfe angebracht oder gar notwendig ist.
Was würden Sie jemandem raten, der ganz am Anfang seiner Suchtbekämpfung steht?
Nehmen Sie Kontakt auf – mit einer Bezugsperson, einer Fachperson, einer Klinik oder einer anderen Institution. Am wichtigsten finde ich, das Aussprechen, Ansprechen und damit Anerkennen der eigenen Situation. Nur so kann man dann auch beginnen, Hilfe anzunehmen.
Zur Person
Lukas Huppenbauer (59) erlitt schwere Traumatisierungen im vorsprachlichen Alter und hat diverse psychische und somatische Diagnosen. Darunter auch eine Alkoholabhängigkeit, die in seinem 14 Lebensjahr ihren Anfang nahm.
Zum ersten Mal für längere Zeit in einer psychiatrischen Klinik war Lukas Huppenbauer mit 16/17 Jahren. Es ist das vierte Mal, dass er sich nun in die stationäre Behandlung einer Suchtfachklinik begibt. In der Klinik Südhang ist er mittlerweile zum dritten Mal.