Vom Burnout zurück ins Erwerbsleben

Die Arbeit als Sozialpädagoge hat Herrn D. gefallen – bis ihm alles zu viel wurde. Nach mehreren Entzügen und Therapien stieg der ehemalige Südhang Patient in die Arbeitsintegration ein. Nun fühlt er sich bereit, um ins Berufsleben zurückzukehren.

«Die Erwerbsarbeit soll mich erfüllen und mir Freude bereiten. Mir gefällt es, wenn kein Tag dem anderen gleicht.» Herr D. wägt seine Worte vorsichtig ab, spricht leise, aber mit klarer Stimme. Als er von seinem Praktikum als Klassenassistent in einer Heilpädagogischen Schule erzählt, beginnt er zu strahlen. Damals sei ihm klargeworden, dass er einen sozialen Beruf lernen und mit Menschen arbeiten wolle. Er wurde Sozialpädagoge und absolvierte den Zivildienst in einer sozialen Institution, wo er prompt eine Anstellung erhielt, sich weiterbildete und schnell zum Gruppenleiter aufstieg. «Fast eine Tellerwäscher Karriere», wie Herr D. sagt. Das ist ein paar Jahre her, damals ist er Mitte zwanzig gewesen. Er erzählt, dass er bald öfter Arbeit nach Hause genommen und sich dauerhaft auf Draht gefühlt habe, der Schlaf sei immer schlechter geworden. Er habe seine Grenzen überschritten und die Warnsignale missachtet. «So bin ich voll in ein Burnout geschlittert.» Die Überlastung zeigte Folgen: Der Alkohol sollte der Entspannung dienen, der Weg vom Feierabendbier bis zum Wodka war fatal. Dabei habe sein Umfeld lange nichts mitbekommen, weil er versuchte, so gut wie möglich zu funktionieren. Rückblickend zeigt sich Herr D. selbstkritisch: «Ich hätte selber die Zeichen frühzeitig richtig deuten und handeln sollen. Von aussen hätte ich mich sowieso nicht bremsen lassen.»

Hintertürchen

Als sich der morgendliche Restalkohol und die wachsende Überlastung nicht mehr verbergen liessen, zog Herr D. die Konsequenzen und meldete sich bei einem Psychologen für ein Gespräch an – und arbeitete unentwegt weiter. Die Rettungsaktion wollte nicht greifen, und die Kräfte schwanden: Im Kriseninterventionszentrum der UPD wurde ihm klar, dass er seine Abhängigkeit vom Alkohol angehen musste. Er meldete sich für eine Therapie in der Klinik Südhang an. Nach dem dreimonatigen stationären Aufenthalt kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück. Herr D. erinnert sich an den Stress beim Wiedereinstieg: «Ich überlegte mir ständig, was die anderen über mich dachten. Und zu allem Unglück bekam ich eine Grippe. Danach merkte ich, dass ich an meiner Arbeitssituation etwas ändern musste, da ich das Gefühl hatte, wenig Vertrauen zu erhalten. Ich suchte das Gespräch – und wurde im gegenseitigen Einverständnis freigestellt.» Er sei sofort wieder in die alten Konsummuster gekippt. Als er vom erneuten Entzug aus der Klinik Südhang nach Hause zurückkehrte, habe er keine Motivation dafür gefunden, eine neue Stelle zu suchen. Zwar habe er wieder Boden unter den Füssen gespürt, aber er habe mit dem Alkohol noch nicht abschliessen können. Der nächste Rückfall kam. Seine damalige Freundin habe ihn via Sanitätspolizei ins Inselspital einliefern lassen, seine Familie habe Angst um ihn gehabt. Herr D. erzählt flüssig, er hat diese Geschichte in der Therapie durchgearbeitet, die Emotionen sind eingeordnet: «Es folgte ein erneuter Entzug. Während eines Gruppengesprächs hat es Klick gemacht: Ich wollte mir keine Hintertürchen mehr offen lassen und fortan ganz auf Alkohol verzichten.» Es wurde ihm eine weiterführende Therapie empfohlen. Herr D. telefonierte mit dem therapeutischen Leiter der Klinik Südhang und bat darum, möglichst schnell eintreten zu können, was glücklicherweise auch geklappt habe.

Entscheidung

Herr D. bezeichnet es als sehr hilfreich, dass er wieder bei der gleichen Psychologin wie beim vorherigen Aufenthalt einsteigen konnte. Ihrer Geduld und Beharrlichkeit sei es auch zu verdanken, dass er sich entschloss, die Arbeitsintegration zu durchlaufen. Die Zeit bis dahin überbrückte er nach dem Klinikaustritt in der Tagesklinik Südhang in Bern. Herr D. berichtet von seiner damaligen Situation: «Zwar hätte ich am liebsten mit einer Erwerbsarbeit begonnen. Aber tagsüber in der Tagesklinik und abends und nachts zu Hause sein, war ein guter Zwischenschritt für mich. Ich versuchte, aus den Rückschlägen zu lernen, um das Beste aus allen Situationen herauszuholen. Auch wenn es teils hart war. Aber es hat sich gelohnt.» Seit dem Beginn der Arbeitsintegration gehe er im Ambulatorium Südhang zu Gesprächen mit seiner gewohnten Psychologin. Anfänglich einmal pro Woche, nun alle zwei Wochen einmal. So könne er sich nahtlos mit seinen Themen auseinandersetzen.

Kontinuität

Herr D. erzählt, wie in der ersten Phase der Arbeitsintegration Rücksicht genommen werde auf die Besonderheiten aller Teilnehmenden. Das gefalle ihm sehr. «In der Secondhand Werkstatt mit USM Möbeln konnte ich wieder in das strukturierte Arbeiten zurückfinden», sagt er. Er habe sich vom Team gut unterstützt gefühlt, die Fachleute seien ihm alle auf Augenhöhe begegnet. Er empfinde es als hilfreich, dass der Druck kleiner sei als im ersten Arbeitsmarkt, und dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und die Frustrationstoleranz individuell angepasst werden. Herr D. beschreibt, wie er mithilfe der Job Coachs seine Bewerbungsunterlagen aktualisierte, wie er Möglichkeiten kennenlernte, mit Lücken in der Biografie umzugehen, wie sie theoretisch und praktisch Bewerbungsgespräche übten. «Ich werde mit meiner Geschichte offen umgehen. Nichts verheimlichen, aber auch nicht mit der Tür ins Haus fallen. Wenn ich gefragt werde, erzähle ich, was gewesen ist. Auch wie ich mich jetzt mit meiner Problematik auseinandersetze und auf meinem Weg bin.»

Gute Aussichten

Eine Bewerbung war schon früh erfolgreich. Vielleicht zu früh? Herr D. sagt, er habe die Stelle in einer sozialen Institution wegen einer erneuten Magen-Darmgeschichte nicht antreten können, habe vor lauter Frust wieder einen Rückfall gehabt. Der Arbeitgeber sei grosszügig und verständnisvoll gewesen, nun dürfe er dort das Praktikum der Phase zwei der Arbeitsintegration absolvieren. Durch die schnelle Reaktion konnte Herr D. zuerst nochmals in der Secondhand Werkstatt in der Klinik Südhang arbeiten. Das habe ihm geholfen, um sich zu stabilisieren. Er erzählt sichtlich stolz: «Nun arbeite ich seit drei Wochen als Betreuer in einer Wohngruppe, habe pflegerische Aufgaben, darf bereits ein wenig Verantwortung übernehmen. Das ist schön für mich. Wieder ein Stück Normalität mehr in meinem Leben!» Herr D. betont, dass er abstinent bleiben und gut und zuverlässig arbeiten müsse, dann habe er Hoffnung, dort längerfristig tätig sein zu können. Sein Interesse habe er jedenfalls schon mal angemeldet. Aber er bewerbe sich auch bei anderen Institutionen, er wolle keinesfalls am Ende der Arbeitsintegration ohne Job dastehen. «Ich bin zuversichtlich, dass es klappen wird. Und ich freue mich darauf, in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen und mein eigenes Geld zu verdienen. Das Leben ist kein Zuckerschlecken. Aber ich bin wieder bereit dafür!»